Geschichte der Tätowierung


Die Kultur der Tätowieren hat eine lange und interessante Tradition. Das Tätowieren ist eine der strittigsten Schmuckmethoden, deshalb kann sie bei einigen negativ assoziert und oft als Verstrickung ins kriminelle Milieu interpretiert werden.

Bisher hatte man gedacht, daß die erste wirkliche und materiell existierende Tätowierung von den Skyten (Altai-Gebirge am Schwarzen Meer) aus dem 5. Jh. v. Chr. stammt. Die 1991 entdeckte Mumie vom Hauslabjoch in der Nähe des Ötztales in Italien ("Ötzi") hat aber die Geschichte des Tätowierens neu geschrieben. Sie beweist, dass bereits in der Bronzezeit, also vor mehr als 5000 Jahren, in Europa Ornamente in die Haut gestochen wurden. Dieser älteste erhaltene menschliche Körper der Welt besitzt 15 Tätowierungen.

Anfänglich hatte man bei "Ötzi" gedacht, dass es sich um reine Schmucktätowierungen handele, die ihn als zu einem Stamm zugehörig markieren sollten. Mittlerweile scheint jedoch klar zu sein, dass es sich wohl um therapeutischen Charakter in Form von Akupunktur handelt. Es wurde festgestellt, dass sich die Tätowierungen, insbesondere an Rücken und Beinen, an klassischen Akupunktur-Stellen finden.

Aber es gibt auch indirekte Belege dafür, dass die Praxis des Tätowierens schon vor Ötzi's Zeiten existierte. So wurde in der Grotte von Arcy-sur-Cure (Frankreich) eine Feuerstelle entdeckt, die zur Zubereitung von Farbstoffen verwendet wurde, zur Umwandlung von Ockergelb in Ockerrot. Sie enthielt ferner Knochen und Jagdwerkzeuge, die mehrfach eingeschnitten waren und auf etwa 35 000 Jahre datiert wurden. Der schlüssige Beweis, dass es sich hier um Tätowierungen und nicht um Körperbemalungen handelte, fehlt jedoch. Belege für dauerhafte Körperinschriften konnten in Wandmalereien in der Sahara aus dem 5. Jahrtausend vor Christus gefunden werden. Das Gizeh-Museum in Kairo besitzt Tätowierungsinstrumente, ähnlich den Nadeln moderner Tätowierer, aus Grabmälern aus dem 4. Jahrtausend. Spuren von Tätowierungen wurden auch an den Mumien ägyptischer Priesterinnen und Tänzer gefunden. Es kann daher trotz Fehlen eines schlüssigen Beweises mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass die Ursprünge des Tätowierens fast so alt sind wie die Menschheit selbst.

In der ersten Hälfte des Mittelalters wurde das Tätowieren unter anderem unter den Christen bekannt. Sie haben Kreuze, Fische oder Initiale von Jesus dargestellt, und diese Tätowierungen als Vereinigungssymbole angesehen. Die Tätowierenssitten hat die Kirche im Verlauf der Zeit als unwürdig erklärt. Eine enorme Renaissance hat die Tätowierkultur dann im XVII. Jahrhundert erlebt. Diese Tatsache ist auf die Matrosen, die die Südsee bereisten und sich zur Erinnerung an die Seefahrt kleine Bildchen in die Haut schlagen ließen, zurückzuführen. Im XVIII. Jahrhundert haben die Geburtshelferinnen Mütter und Kinder in ärmeren Stadtteilen zu Erkennungszielen tätowiert.

Etwa um 1750 kam es in Japan zu einer sprunghaften Zunahme der Tätowierungen. Zu dieser Zeit konnten sich reiche Kaufleute Seidenkimonos mit schillernden Farben leisten. Die Armen konnten sich solche Kleidung nicht leisten und begannen stattdessen sich mit tätowierten Mustern zu bedecken, was wesentlich billiger war. Somit wurde das Tätowieren zuerst in den ärmeren Teilen der Gesellschaft populär und entwickelte sich dann nach und nach zu einem Zeichen der Gildenzugehörigkeit unter den Handwerkergruppen. Von Japan gelang 1840 durch das Eintreffen westlicher Besucher die Tätowierung wieder zu einem Höhepunkt. Einer der ersten Abendländer war der Herzog von York, der künftige König Georg V., etwas später dann der Zar Nikolaus II von Russland, die sich tätowieren ließen. Durch sie gelangte erneut ein Tätowierungsboom nach Europa.

Als im Jahre 1890 die elektrische Tätowierungsmaschine erfunden wurde, schien der Tattoo-Boom einen Höhepunkt erreicht zu haben, weil man schneller und schmerzloser tätowiert hat. In den Kriegszeiten ließen sich die Soldaten tätowieren, damit ihre Leichen identifiziert werden konnten. Während des II. Weltkriegs wurden die Häftlinge in Konzentrationslagern mit an den Unterarmen tätowierten Buchstaben und Ziffern als Identifikationsnummer versehen. In den 60-er Jahren erlebte die Tätowierkultur wieder ein signifikantes Comeback. Über die Blumenkinder ist die Modeerschienung Tätowieren in die Welt der Jugendkultur vorgedrungen.

Der Ursprung des Wortes Tätowierung leitet sich direkt von dem Taihitianischen "tattau" ab. Der Wortstamm "ta" bedeutet Zeichnen und das Wort als Ganzes bedeutet eine Zeichnung in der Haut. Captain Cooks Tagebuch von 1769 enthält den folgenden Eintrag über die Eingeborenen von Taihiti: "Beide Geschlechter malen auf ihre Körper tattau, wie es in ihrer Sprache heißt; dies geschieht, indem die Farbe Schwarz auf eine Weise unter die Haut eingebracht wird, dass sie unauslöslich ist. Einige haben schrecklich aussehende Abbildungen von männlichen Vögeln oder Hunden… Kurzum sie weisen im Aufbringen dieser Bilder eine solche Mannigfaltigkeit auf, dass sowohl deren Menge als auch deren Position allein von der Laune des Einzelnen abzuhängen scheint. Männer und Frauen zeigen sie mit großem Vergnügen."
Das Wort ist seitdem nahezu unverändert in die Europäischen Sprachen eingegangen.

Immer waren und sind Tätowierungen Teil der Menschheitsgeschichte. Es kann davon ausgegangen werden, dass wahrscheinlich jede Kulturgemeinschaft der Erde zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Entwicklung die Sitte des Tätowierens kannte und ausübte. Strittig ist hingegen, wo sich die Tätowierung schwerpunktmäßig entwickelt hat. Immer wieder wurde versucht, sie vom Ursprung her einem bestimmten geographischen Gebiet zuzuordnen.

In seiner rituellen Bedeutung war und ist das Tätowieren zumeist in Mikronesien, Polynesien, bei indogenen Bevölkerungen und z.B. auch den Ainu und den Yakuza (Japan) verbreitet. Unter den ältesten schriftlichen Zeugnissen zum Umgang mit Tätowierungen sind biblische Texte zu finden; darin werden sie mit dem Totenkult assoziiert. Klassische griechische und römische Schriftsteller beschrieben das Tätowieren als barbarischen Brauch. Auch die ersten Christen gehörten zu den Anhängern farbigen Körperschmucks. In frühen christlichen Gemeinden galt die Tätowierung als stummes Erkennungszeichen, Das späte Christentum verbot unterdessen das Bilderstechen, um den Menschen vor der Verunstaltung göttlicher Schöpfung abzuhalten. Im alten Rom war Konstantin I. (287-337 n. Chr.) der erste Kaiser, der die Hautzierden untersagte. Eine konsequente Fortsetzung fand das Verbot im Jahr 787 n. Chr. unter Papst Hadrian I., der das Tätowieren mit Aberglaube und Heidentum assoziierte.

Während der nächsten tausend Jahre wurden von seinen Nachfolgern stets ähnliche Verfügungen erlassen. Im Zeitalter geographischer Entdeckungen kamen Europäer mit vielen Kulturen in Kontakt, in denen tätowiert wurde. Im Laufe der Geschichte dienten Tätowierungen häufig als Form der Ächtung von Kriminellen und Prostituierten. Ein stigmatisierendes Beispiel aus jüngerer Zeit ist die bereits erwähnte Kennzeichnung von Häftlingen in Konzentrationslagern während des Nationalsozialismus.

Heutzutage ist das Tätowieren in allen Gesellschaftsschichten angekommen. Viele "Stars" tragen z.T. auffällige Tätowierungen, und beeinflussen so breite Bevölkerungsschichten. Moderne eingerichtete Tattoo-Studios, die hohen hygienischen Standards folgen, haben zudem dem Tätowieren selbst einen seriösen Anstrich vermittelt.